Es ist 22:59 Uhr, als in der Notrufzentrale ein Notruf aus Kilchberg eingeht: Ein Ehemann berichtet aufgelöst, dass seine Frau nicht mehr atmet. Zwei Minuten später steht zum Glück der erste Lebensretter vor der Tür: Unser Notfallsanitäter-Azubi Malte Steinmann hat über die App „Region der Lebensretter“ den Alarm bekommen und konnte sofort zum nahegelegenen Einsatzort eilen. Er beginnt nach dem Überprüfen der Lebenszeichen sofort mit der Wiederbelebung, kurz darauf kommen die zwei OP-Schwestern Stefanie Schneider und Inken Toellner als Lebensretterinnen dazu und unterstützen bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes. Auf dem Weg in die Klinik hat die Gerettete bereits wieder einen eigenen Kreislauf. Als Lebensretter oder -retterin geht man nun nach Hause, denkt noch oft an die gerettete Person und fragt sich, wie es ihr jetzt geht - erfährt das jedoch meistens nicht.
Nicht so im Fall von Maria aus Kilchberg. Denn die 67-Jährige erholt sich zum Glück schnell und ihr wird klar: Sie möchte ihre Retter und Retterinnen kennen lernen und darauf aufmerksam machen, wie wichtig ihr Einsatz ist. So kommt es rund drei Wochen nach dem Notfall zum Treffen zwischen der berenteten Anästhesie-Schwester, die auch an der Uniklinik Tübingen gearbeitet hat, und ihren Rettern. Auch Robert Hickmann, der für uns das Projekt koordiniert, und Dr. Robert Wunderlich als Koordinator vom UKT sind mit dabei und moderieren. Dr. Wunderlich kennt die Gerettete noch aus Marias aktiver Zeit und hat häufig mit ihr im OP zusammengearbeitet.
Alle Beteiligten sprechen sehr offen über ihre Erlebnisse in jener Nacht und verstehen sich bestens. Maria erzählt vom Tag des Notfalls: Sie war noch bei der Firmung der Enkelin und erst am Abend ging es ihr schlecht, an den Notfall an sich kann sie sich gar nicht mehr erinnern. Sie ist begeistert, dass es das Ersthelfersystem in Tübingen gibt: „Ich würde heute entweder gar nicht oder mit schweren Folgeschäden hier sitzen, wenn ihr nicht gewesen wärt.“ Ein Gänsehautmoment, bei dem auch Tränen fließen.
Maria ist sehr glücklich über die Einsatzbereitschaft der jungen Leute - ganz unabhängig von ihrem eigenen Fall: „So viele schimpfen über die Jugend von heute. Aber ohne euch, wäre ich jetzt wahrscheinlich nicht mehr hier. Ihr habt einfach gemacht, was gemacht werden muss. Das ist wahre Einsatzbereitschaft.“ Die Helfenden haben dagegen einige Fragen an Maria, die sie seit dem Einsatz beschäftigen: Wurden ihre Rippen bei der Herz-Druck-Massage gebrochen? Wie geht es ihr jetzt und wie lange wird die Erholung noch dauern? Der Austausch ist für alle Seiten wertvoll. So fegt Maria die Frage nach den Rippen hinweg: Das sei ja gar nicht wichtig, was sind schon ein paar Schmerzen, wenn man weiterleben darf. Und sie ist unglaublich dankbar für die schnelle Rettung.
Zum Abschluss des Treffens lässt sich Maria noch vom Stand des Projekts „Region der Lebensretter“ im Kreis Tübingen berichten. Zum Glück gibt es in Tübingen schon viele registrierte Helfende, so dass Rettung oft in nächster Nähe ist. Lückenhaft ist dagegen – obwohl sich seit dem Start und dank der Tagblatt-Spendenaktion viel getan hat – noch die Versorgung mit Automatisierten Elektrischen Defibrillatoren (AED), die rund um die Uhr öffentlich zugänglich sind. Auch in Marias Fall war der Kilchberger AED nicht verfügbar, denn er hängt in der Schule und die ist um am Sonntag um 23 Uhr natürlich geschlossen. Für Maria ein Grund mehr, über ihre Rettung zu sprechen: „Ich möchte, dass ganz viele Leute von dem Projekt erfahren, sich selbst registrieren oder für den Weiterbetrieb und zusätzliche AEDs spenden. Damit die Hilfe alle erreicht, denen es geht wie mir!“ Wir wünschen Maria weiterhin eine gute Erholung und bedanken uns herzlich bei allen Menschen, die sich für das Projekt „Region der Lebensretter“ engagieren – egal ob persönlich oder mit einer Spende!